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Große Titelansicht | Presse-Infos 414 S. m. 3 farbigen u. 106 s-w-Abb., geb ISBN 978-3-496-01189-7 39,90 € [D] |
Uta Lehnert |
Der Kaiser und die Siegesallee
Réclame royale
Vergriffen. Erschienen Oktober 1998
Die Siegesallee im Berliner Tiergarten – im Volksmund Puppenallee genannt – war eines der künstlerischen Prestigeobjekte des letzten Kaisers und zugleich gigantische Propaganda für die Monarchie. Nach einer Idee und den Angaben Wilhelms II. wurden dort unter der künstlerischen Leitung von Reinhold Begas 32 Denkmalgruppen für sämtliche Herrscher Brandenburg-Preußens aufgestellt. Die eindrucksvollen Reste dieser Denkmalstraße fordern noch heute zu einer Stellungnahme auf.
Die Siegesallee gibt es heute nicht mehr. Der breite Spazierweg im östlichen Tiergarten, der vom Kemperplatz am Kulturforum zum Sowjetischen Ehrenmal an der Straße des 17. Juni führt, entspricht dem Verlauf der ehemaligen Allee.
Die im zweiten Weltkrieg stark beschädigten Denkmäler, ein Paradebeispiel wilhelminischer Denkmalkunst, haben auf unterschiedliche Art drei politische Systeme überstanden und waren sogar ein Vierteljahrhundert lang vom Erdboden verschwunden. Seit der spektakulären Ausgrabungsaktion im Winter 1978/79 stehen sie im Lapidarium (Steinmuseum) am Landwehrkanal und warten auf eine angemessene Präsentation.
Wilhelm II. wollte Berlin, in Konkurrenz zu den alten europäischen Metropolen, zur »schönsten Stadt der Welt« machen. Da er sein Denkmalprojekt mit großem persönlichen Engagement vorangetrieben hatte, war die Siegesallee im Kunststreit zwischen Kaiser und Moderne zum Synonym für Hofkunst geworden. Dem künstlerischen Ruf der Berliner Bildhauerschule hat das Ensemble schweren Schaden zugefügt, aber die z. T. vernichtende Kritik der Fachleute tat der Anziehungskraft der Denkmalgalerie auf die breite Masse keinen Abbruch. Zahlreiche Kopien einzelner Standbilder schmückten vor allem Städte der östlichen Provinzen des Reiches.
Die Autorin verfolgt das ungewöhnliche Schicksal des Denkmalensembles von den Anfängen in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts bis zur (vorläufigen?) Endstation Lapidarium. Zu Erklärung des Phänomens Siegesallee berücksichtigt sie auch einen bisher vernachlässigten Aspekt: den der Propaganda oder Reklame, wie man damals sagte. War die Denkmalstraße als Musterbeispiel idealer Kunst auch ein Fehlschlag, als réclame royale, als Reklame für die Monarchie hatte sie Erfolg.
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